Kapitel 1
Die Geburt des Universums

1   Der Urknall


The Hitchhiker's Guide To The Galaxy:
There is a theory which states that if ever anyone discovers exactly what the Universe is for and why it is here, it will instantly disappear and be replaced by something even more bizarre and inexplicable. There is another theory which states that this has already happened.



Zusammenfassung des Buchkapitels:

Wir befinden uns am Anfang des Zeitpfades vor etwa 13,7 Milliarden Jahren und damit am Beginn der Welt, wie wir sie heute beobachten können. Da sich das Universum ständig ausdehnt, muss es zu Beginn unglaublich klein gewesen sein -- kleiner als ein Atomkern! Nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, die den Zusammenhang zwischen Raum, Zeit und Gravitation beschreibt, wäre das Universum zu Beginn sogar ein Punkt gewesen, also unendlich klein. Allerdings weiß man, dass bei derart winzigen Dimensionen die Allgemeine Relativitätstheorie ihre Gültigkeit verliert, da die Gesetze der Quantentheorie hier wichtig werden; diese aber sind in der Allgemeine Relativitätstheorie nicht enthalten.

Was man also braucht, um den Anfang der Welt zu verstehen, ist eine physikalische Theorie, die sowohl die Gesetze der Gravitation als auch die Quantentheorie umfasst. Letztlich braucht man sogar eine Theorie, die sämtliche Naturgesetze beschreibt und die man oft auch als Weltformel bezeichnet. Leider kennt man bis heute diese Theorie nicht, auch wenn es mit der sogenannten Stringtheorie und der darauf basierenden M-Theorie durchaus einen Kandidaten dafür gibt, dessen Ausformulierung allerdings noch in den Kinderschuhen steckt.

In der Quantentheorie ist es normalerweise so, dass es eine Minimalgröße für physikalische Systeme gibt, die nicht so einfach unterschritten werden kann. Vermutlich wird es daher auch in einer Quantentheorie aller Naturgesetze so sein, dass es für das Universum eine Minimalgröße gibt. Man vermutet, dass Raum und Zeit bei extrem kleinen Abständen eine schaumige Struktur aufweisen und dass es keinen Sinn macht, von räumlichen oder zeitlichen Abständen zu sprechen, die kleiner als die Größe der Bläschen im Raum-Zeit-Schaum sind. Der Raum-Zeit-Schaum ist dabei dynamisch, d.h. man kann sich vorstellen, dass ständig neue Bläschen entstehen, während andere wieder platzen. Die Zeit verläuft dabei nicht kontinuierlich, sondern irgendwie sprungartig, so wie einzelne Bläschen sprungartig entstehen und platzen. Raum und Zeit sind in diesem Bild keine grundlegenden Konzepte mehr, sondern sie entstehen erst durch Mittelung über viele Raum-Zeit-Bläschen.



Schaum. Quelle: Wikipedia Commons, demnach Public Domain.

Als typische Größe für die Raum-Bläschen vermutet man die sogenannte Planck-Länge, die sich aus den fundamentalen Naturkonstanten der Gravitation, der speziellen Relativitätstheorie und der Quantentheorie bilden lässt. Die Planck-Länge beträgt ungefähr   1,6 ·10-20 fm   . Das ist eine extrem kleine Zahl; sie liegt um zwanzig Größenordnungen unterhalb der Größe eines Protons oder Neutrons, aus denen sich die Atomkerne zusammensetzen!

Ähnlich ist es mit der Zeit: Die typische Größe der Zeitsprünge dürfte bei der Größe der Planck-Zeit liegen, die   5 ·10-44 sec   beträgt. In dieser winzigen Zeit legt ein Lichtstrahl gerade mal eine Planck-Länge zurück.

Man kann sich überlegen, bei welchen Teilchenenergien die schaumige Struktur von Raum und Zeit relevant werden müsste. Dazu kann man beispielsweise die Energie eines Lichtteilchens (Photons) ausrechnen, bei dem die zugehörige Lichtwellenlänge gerade eine Planck-Länge beträgt. Diese Planck-Energie beträgt   1,2 ·1019 GeV   und ist damit um etwa 16 Größenordnungen höher als die angestrebte Teilchenenergie von 7000 GeV im Large-Hadron-Collider, dem größten Teilchenbeschleuniger der Welt. Solche Teilchenenergien treten in der Natur vermutlich nur im Urknall und möglicherweise im Zentrum Schwarzer Löcher auf.

Vielleicht begann unser sichtbares Universum als winziger Bereich innerhalb eines fluktuierenden Raum-Zeit-Quantenschaums. Innerhalb dieses Bereichs könnte sich zufällig ein sogenanntes Inflatonfeld aufbauen, wie man es in vielen modernen Erweiterungen des sogenannten Standardmodells findet (z.B. in Analogie zum Higgs-Feld). Ist dieses Feld in einem metastabilen Zustand, so kann es eine extrem starke abstoßende Gravitation hervorrufen, die den Raumbereich in Sekundenbruchteilen enorm aufbläht (inflationäre Expansion). Dies könnte die Geburt des für uns sichtbaren Universums gewesen sein -- der Urknall! Danach zerfällt das Inflatonfeld oder rutscht in einen stabilen niedrigeren Energiezustand, wobei aus der dabei freigesetzten Energie nach und nach die Materie entsteht, die wir heute kennen. Es gibt also durchaus nach heutigem Wissen eine Kraft, die den Urknall hervorgerufen haben könnte: die Gravitation! Mehr dazu im nächsten Kapitel.

Sehr wahrscheinlich besaß unser Universum zu Beginn eine sehr symmetrische Struktur, und zwar in einem sehr allgemeinen Sinn. So sieht man in den Experimenten an Teilchenbeschleunigern, dass die Stärken der vier bekannten Grundkräfte (die Gravitation, die starke, die schwache sowie die elektromagnetische Wechselwirkung) einander immer ähnlicher werden, je höher die Teilchenenergien sind. Daher vermutet man, dass alle vier bekannten Grundkräfte im Urknall in einer einzigen universellen Grundkraft vereint waren. Auch dazu mehr im nächsten Kapitel.



Errata:

Seite 3:
Die Temperatur in Kelvin erhält man, indem man zu der Temperatur in Grad Celsius rund 273 Grad addiert (nicht abzieht, wie es versehentlich im Buchtext steht).



Literatur zu dem Thema:


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last modified on 02 September 2012