Wir wollen nun alles, was wir über den Impuls und die Kraft im letzten Abschnitt gelernt haben, vergessen und noch einmal ganz von vorne anfangen.
Wir starten wieder mit unserem vereinfachten Modell, in dem wir die Position eines Objektes idealisiert durch einen Punkt im dreidimensionalen Raum darstellen können. Diese Punkte bewegen sich im Lauf der Zeit stetig durch den Raum, so dass wir diese Bewegung durch eine mathematische Funktion \(\boldsymbol{x}(t)\) darstellen können. Wir nennen dies die Bahnkurve des Objektes.
Weitere Begriffe wir Masse oder Kraft stehen uns noch nicht zur Verfügung, da wir auch das Newtonsche Gesetz \[ \boldsymbol{F} = m \boldsymbol{a} \] nicht voraussetzen wollen. Lediglich die Begriffe Geschwindigkeit \(\boldsymbol{v}\) und Beschleunigung \(\boldsymbol{a}\) können wir verwenden, da diese durch die erste bzw. die zweite Ableitung der Bahnkurve nach der Zeit definiert sind.
So ungefähr können wir uns die Situation vorstellen, in der sich die Menschen vor Newton befunden haben müssen. Wir stehen vor der Frage: was sind die richtigen physikalischen Begriffe, um die Bewegung eines Objektes zu beschreiben und seine Bahnkurve zu bestimmen? Wie sehen die Naturgesetze aus, die den Flug eines Objektes festlegen?
Es ist sehr schwer, die richtigen Begriffe zu wählen, da in unserer täglichen Umgebung sehr viele physikalische Effekte sich überlagern und die Situation dadurch unübersichtlich wird. Wir wollen darum die Erde in Gedanken verlassen und begeben uns in die Tiefen des Weltraums, weit weg von irgendwelchen Sternen und Planeten. Im Gepäck haben wir einige kleine Gummibälle, mit denen wir mehrere Experimente durchführen wollen.
Unser erstes Experiment besteht darin, einen Gummiball zu nehmen und ihn in irgendeine Richtung zu werfen. Was beobachten wir?
Wir sehen, dass der Gummiball sich entlang einer geraden Linie mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Da wir den Gummiball völlig sich selbst überlassen, wollen wir annehmen, dass er keinen äußeren Einflüssen ausgesetzt ist. Wir formulieren daher unser erstes Naturgesetz, das man auch Trägheitsgesetz nennt:
Ein kleines Objekt, das keinen äußeren Einflüssen unterliegt, bewegt sich entlang einer geraden Linie mit konstanter Geschwindigkeit (die auch Null sein darf).
So einfach sich dieser Satz auch anhört, es stecken eine Menge von Begriffen dahinter, über deren Bedeutung man immer wieder nachdenken sollte. Ein solcher Satz geht über mathematische Definitionen hinaus. Er verwendet Begriffe wie kleines Objekt oder äußerer Einfluss, die gegebenenfalls weiter präzisiert werden müssen.
In unserem Fall bedeutet die Aussage, dass keine äußeren Einflüsse wirken, folgendes: Zur Beschreibung einer geradlinigen Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit brauchen wir keine weiteren physikalischen Begriffe zu definieren. Diese Bewegungsform ist gleichsam der Normalfall, den wir als Ausgangsbasis für unsere Diskussion verwenden wollen.
Das ist keineswegs selbstverständlich. Die Erfahrungen in unserer täglichen Umwelt legen eine andere Ausgangsbasis nahe. Der Normalfall ist hier, dass ein sich selbst überlassenes Objekt nach einer gewissen Zeit zur Ruhe kommt und irgendwo liegen bleibt. Wenn wir ein bewegtes Objekt sehen, würden wir daher annehmen, dass irgendein äußerer Einfluss diese Bewegung aufrecht erhält. Wir hatten im letzte Abschnitt diesen Einfluss (einer Vorlesung Feynmans folgend) als Schmaft bezeichnet. Diese Begriffsbildung hat sich jedoch nicht als tragfähig erwiesen, und erst Isaac Newton schaffte es vor gut 300 Jahren, die richtigen Begriffe zu finden (wobei das Trägheitsgesetz auch schon seinen Vorgängern, insbesondere dem Italiener Galileo Galilei, aufgefallen war).
Eine geradlinige Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit soll also unsere Ausgangsbasis sein. Wenn ein Körper von dieser Bewegungsform abweicht, nehmen wir also an, dass diese Abweichung durch einen äußeren Einfluss hervorgerufen wird, den wir genauer untersuchen wollen, und für den wir neue Begriffe prägen können.
Um zu möglichst tragfähigen Begriffen zu kommen, wollen wir zunächst ein weiteres Experiment durchführen.
Wir nehmen zwei Gummibälle, und lassen sie sich aufeinander zubewegen. Dabei machen wir folgende Beobachtung:
Solange die Gummibälle nicht zusammenstoßen, bewegen sie sich mit jeweils konstanter Geschwindigkeit geradlinig aufeinander zu. Dann stoßen sie zusammen, und anschließend bewegen sie sich wieder geradlinig mit jeweils konstanter Geschwindigkeit voneinander weg. Dabei haben sich sowohl die Richtungen also auch die Geschwindigkeiten beider Gummibälle verändert.
Wir interpretieren dieses Experiment so: Vor und nach dem Zusammenstoß wirken keine äußeren Einflüsse auf die Gummibälle. Während des Zusammenstoßes beeinflussen sich die beiden Gummibälle für eine kurze Zeit gegenseitig, so dass sich ihre Richtung und Geschwindigkeit verändert. Nach dem Zusammenstoß bewegen sie sich dann mit ihren neuen Geschwindigkeiten ohne äußere Einflüsse in die neuen Richtungen.
Wir könnten nun versuchen, den genauen Ablauf des Zusammenstoßes näher zu untersuchen. Wir könnten versuchen, die Bahnkurve jedes Gummiballes während des Zusammenstoßes genau zu vermessen, um herauszufinden, wie sich die Gummibälle im Detail gegenseitig beeinflussen.
Es ist jedoch fraglich, ob wir so zu den relevanten physikalischen Begriffen kommen würden. Wir wollen daher etwas viel einfacheres versuchen.
Wir wollen die beiden Situationen vor und nach dem Zusammenstoß miteinander vergleichen und nach Regeln suchen, die die möglichen Geschwindigkeiten und Bewegungsrichtungen nach dem Zusammenstoß einschränken. Gibt es solche Regeln?
Um die Regeln aufzuspüren, müssen wir viele Zusammenstöße von Gummibällen mit vielen verschiedenen Anfangsgeschwindigkeiten durchführen. Beginnen wir mit dem einfachsten Fall, bei dem zwei identische Gummibälle sich mit identischen Geschwindigkeiten genau aufeinander zu bewegen. Alles klar?
Halt! Was sind identische Gummibälle? Auch wenn sich die Frage banal anhört, so müssen wir doch sagen, was identische Gummibälle sind. Dies müssen wir wieder über ein physikalisches Experiment definieren, mit dem wir entscheiden können, wann zwei Gummibälle identisch sind.
Das Experiment sieht so aus: wir verbinden die beiden Gummibälle über einen dünnen Faden miteinander und spannen eine kleine Feder zwischen die Gummibälle. Dann zerschneiden wir den Faden, so dass die Feder die beiden Bälle auseinandertreiben kann. Statt mit der Feder könnten wir die beiden Bälle auch über eine kleine Sprengladung auseinandertreiben. Wichtig ist nur, dass die beiden Bälle zu Anfang unbewegt nebeneinander liegen und durch irgendeinen Mechanismus auseinandergetrieben werden. Wenn die beiden Bälle nun mit gleich großer Geschwindigkeit auseinanderfliegen, so wollen wir sie in diesem Sinn als identische Bälle bezeichnen.
Nun wissen wir also, was identische Gummibälle sein sollen (identisch zumindest im obigen speziellen Sinn). Kehren wir zurück zu dem Experiment, bei dem wir zwei solcher Bälle mit identischen Geschwindigkeiten genau aufeinander zu schießen wollen. Was beobachten wir nach dem Zusammenstoß?
Wir finden, dass sich die Bälle nach dem Zusammenstoß mit gleichen Geschwindigkeiten genau entgegengesetzt auseinanderbewegen. Die Geschwindigkeit jedes einzelnen Balls kann dabei auch kleiner sein als vor dem Zusammenstoß, und der Ball bewegt sich auch in eine andere Richtung. Aber beide Bälle sind nach dem Zusammenstoß gleich schnell und fliegen genau entlang ihrer Verbindungslinie auseinander.
Wir sehen also, dass es offenbar Regeln gibt, die die möglichen Geschwindigkeiten nach dem Zusammenstoß einschränken. Auch bei anderen Experimenten, bei denen wir verschiedene Bälle und andere Anfangsgeschwindigkeiten betrachten, können wir Regeln finden, die sich z.B. grafisch darstellen lassen.
Versuchen wir, neue physikalische Begriffe zu definieren, mit deren Hilfe sich diese Regeln sauber formulieren und überprüfen lassen. Mit anderen Worten: wir suchen das geeignete Vokabular, um die Gesetze beim Zusammenstoß von kleinen Objekten gut formulieren zu können.
An dieser Stelle hilft nur genaue Beobachtung der Experimente, eine gute Intuition und etwas Glück weiter, denn wir müssen hier zunächst einen Ansatz machen und können dann erst überprüfen, ob dieser Ansatz nützlich ist.
Eine erste Idee wäre die folgende: wir könnten annehmen, dass die Vektorsumme der Ballgeschwindigkeiten vor und nach dem Zusammenstoß gleich groß ist. Tatsächlich funktioniert diese Idee bei identischen Bällen sehr gut, aber sie versagt bei verschiedenen Bällen. Anscheinend verfügen verschiedene Bälle über irgendeine innere Eigenschaft, die sie bezüglich Zusammenstößen voneinander unterscheidet und die wir noch nicht berücksichtigt haben.
Daher wollen wir diese erste Idee folgendermaßen modifizieren:
Wir nehmen an, dass wir jedem Ball einen Vektor (also einen Pfeil im dreidimensionalen Raum) zuordnen können, der eine noch festzulegende Länge hat und der in Richtung der Geschwindigkeit des Balles zeigt. Diesen Vektor nennen wir den Impuls des Balles.
Weiterhin nehmen wir an, dass für jeden einzelnen Ball der Impuls eindeutig durch die Geschwindigkeit festgelegt ist, wobei für Geschwindigkeit Null auch der Impuls gleich Null sein soll. Diese Annahme soll allerdings nur für Objekte gültig sein, die auch die Geschwindigkeit Null aufweisen können. Wir werden später noch Teilchen kennenlernen, bei denen das nicht der Fall ist, z.B. die Photonen. Für Photonen gilt die Annahme daher nicht.
Der Zusammenhang zwischen Impuls und Geschwindigkeit kann für verschiedene Bälle durchaus verschieden aussehen, aber er soll bei jedem einzelnen Ball festliegen.
Bisher haben wir allerdings noch nichts gewonnen, doch nun kommt die entscheidende Eigenschaft des Impulses: Wir wollen annehmen, dass die Summe der Impulsvektoren der Bälle vor dem Zusammenstoß genauso groß ist wie nach dem Zusammenstoß. Der Gesamtimpuls der Bälle ist also nach unserer Annahme eine Erhaltungsgröße!
Ob diese Annahme zutrifft, müssen wir später über Experimente herausfinden. Im Moment wollen wir diese Annahme jedoch dazu verwenden, um eine Messvorschrift für den Impuls eines Balles anzugeben.
Um die Messvorschrift anzugeben, benötigen wir zunächst einen Referenzball. Dieser Referenzball liefert unseren Vergleichsmaßstab für die Impulsmessung, so wie das Urkilogrammstück den Vergleichsmaßstab für Gewichtsmessungen liefert.
Wir lassen nun den Referenzball (nennen wir ihn \(R\) ) mit einer bestimmten Geschwindigkeit auf einen ruhenden zweiten Ball (nenen wir ihn \(B\) ) treffen und beobachten die Flugrichtungen und die Geschwindigkeiten von \(R\) und \(B\) nach dem Zusammenstoß.
Vor dem Zusammenstoß ist der Impuls von Ball \(B\) gleich Null, da er sich in Ruhe befindet. Daher ist der Gesamtimpuls der beiden Bälle gleich dem Impuls unseres Referenzballs.
Nach dem Zusammenstoß bewegen sich beide Bälle in bestimmte Richtungen, und wir können für jeden Ball einen Impulspfeil in diese Richtung auf ein Blatt Papier zeichnen. Allerdings wissen wir noch nicht, wie lang diese beiden Pfeile sein sollen; wir wissen nur, dass sie in Richtung der Geschwindigkeiten liegen.
Nun kommt die Impulserhaltung ins Spiel. Die beiden Impulspfeile nach dem Zusammenstoß müssen zusammen gerade den Impulspfeil des Referenzballs vor dem Zusammenstoß ergeben. Damit liegt die Länge der 3 Pfeile relativ zueinander fest.
Der nächste Schritt besteht darin, einen Maßstab in das Bild einzuführen. Wir müssen die Länge eines Impulspfeils festlegen, d.h. wir müssen eine Maßeinheit für den Impuls festlegen.
Dies könnten wir beispielsweise so machen: Wir lassen den Referenzball \(R\) mit einer bestimmten Geschwindigkeit (sagen wir ein Meter pro Sekunde) auf den Ball \(B\) treffen und legen fest, dass der Anfangsimpuls von R genau eine Impulseinheit (kürzen wir sie mit IE ab) betragen soll. Das legt die Maßeinheit Impulseinheit fest, die wir hiermit gerade erfunden haben. Auf dem Blatt Papier wollen wir für einen Impuls mit einer Impulseinheit einen Pfeil mit 10 cm Länge zeichnen.
Die Impulse nach dem Zusammenstoß tragen wir als Pfeile auf dem Papier ein, und zwar so, dass sie in die Flugrichtungen der Bälle zeigen und zusammen den zehn-Zentimeter-langen Impuls des Referenzballs vor dem Zusammenstoß ergeben.
Nun können wir die Länge der Impulspfeile für die Bälle nach dem Zusammenstoß einfach abblesen. Ein drei Zentimeter langer Pfeil bedeutet dabei einen Impuls von 0,3 IE.
Wir können nun sehr viele solcher Versuche machen, wobei wir den Referenzball immer mit einem Meter pro Sekunde auf verschiedene andere Bälle treffen lassen. Den Impuls des Referenzballs nach dem Zusammenstoß können wir mit Hilfe unserer Zeichnung bestimmen (oder natürlich über entsprechende Formeln berechnen).
Bei diesen Experimenten werden je nach Ablenkrichtung sehr viele verschiedene Geschwindigkeiten für den Referenzball nach dem Zusammenstoß auftreten, und für jede dieser Geschwindigkeiten können wir mit der Pfeil-Zeichnung den Impuls bestimmen. Auf diese Weise erhalten wir Schritt für Schritt immer mehr Messpunkte für den Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Impuls des Referenzkörper. Man kann auch sagen, dass wir die Eichkurve für den Impuls des Referenzballs bestimmen.
Diese Eichkurve ermöglicht es uns nun umgekehrt, anhand der Geschwindigkeit des Referenzballs dessen Impuls in Impulseinheiten abzulesen.
Das obige Experiment wird nur einen bestimmten Geschwindigkeitsbereich des Referenzballs erfassen, da diese nach dem Zusammenstoß mit dem ruhenden Ball immer kleiner sein muss als vor dem Zusammenstoß. Wir können uns aber mit anderen Experimenten weiter nach oben hangeln. Beispielsweise könnten wir den Referenzball mit einer größeren Anfangsgeschwindigkeit starten lassen und die Zusammenstöße auswählen, bei denen er nach dem Zusammenstoß eine Geschwindigkeit besitzt, für die wir den Impuls bereits anhand der Eichkurve kennen. Dann können wir den Impuls des Referenzballs vor dem Zusammenstoß wieder aus unserer Zeichnung bestimmen. Auf diese Weise können wir schrittweise die Impulse des Referenzballs für alle Geschwindigkeiten bestimmen, die uns interessieren.
Wie können wir nun den Impuls eines beliebigen anderen Körpers bestimmen?
Die Idee ist wieder dieselbe wie vorher. Wir lassen das Objekt, dessen Impuls wir bestimmen wollen, einfach mit unserem Referenzball zusammenstoßen und fertigen wieder eine Zeichnung der Impulspfeile an. Den Impuls des Referenzkörpers nach dem Zusammenstoß können wir dabei einfach aus seiner Geschwindigkeit ermitteln, denn wir haben ja jetzt den entsprechenden Zusammenhang in unserer Eichkurve ermittelt. Damit liegt der Maßstab in der Zeichnung fest, und wir können den gesuchten Impuls des Objektes in der Zeichnung ablesen.
Diese Messmethode hat einen großen Vorteil: Die Geschwindigkeit des heranfliegenden Objektes wird zur Bestimmung seines Impulses gar nicht benötigt. Lediglich die Geschwindigkeit des Referenzballs nach dem Zusammenstoß muss bestimmt werden. Nur für den Referenzball müssen wir daher voraussetzen, dass es einen Zusammenhang zwischen Impuls und Geschwindigkeit gibt, und dass er auch die Geschwindigkeit Null annehmen kann. Damit ist diese Messmethode auch für Teilchen anwendbar, die nicht in Ruhe existieren können und bei denen der Impulsbetrag nicht von dem Betrag der Geschwindigkeit abhängt (Beispiel: Photonen).
Wir haben damit eine Messvorschrift für den Impuls eines Teilchens festgelegt. Wir haben definiert, was wir unter dem Impuls verstehen wollen. Doch Vosicht! Was wir getan haben, geht über eine reine Definition hinaus. Es beinhaltet gleichzeitig ein Naturgesetz: die Erhaltung des Gesamtimpulses. Wir habe dieses Gesetz verwendet, als wir die Impulse vor und nach dem Zusammenstoß auf ein Blatt Papier aufgemalt und miteinander in Beziehung gesetzt haben. Weiterhin haben wir die Annahme getroffen, dass der Impuls zumindest für unseren Referenzball eindeutig mit dessen Geschwindigkeit zusammenhängt. Wäre dies in der Natur nicht so, dann hätten wir die Eichkurve für diesen Zusammenhang gar nicht aufstellen können. Wir hätten beispielsweise bei zwei Zusammenstößen beide male den gleichen Impulspfeil für den Referenzball konstruiert, aber verschiedene Geschwindigkeiten messen können. Dies ist so aber nicht passiert, was unsere Annahme bestätigt.
Wir sehen also, dass die Begründung einer physikalischen Größe meistens über eine reine Definition hinausgeht. Sie hat auch etwas mit physikalischen Gesetzen zu tun, die es einem erst ermöglichen, eine Messvorschrift für die neue Größe festzulegen.
Nachdem wir nun wissen, was wir unter dem Impuls eines Teilchens verstehen, wollen wir den Zusammenhang zwischen Impuls und Geschwindigkeit eines Teilchens genauer betrachten. Gibt es einen einfachen Zusammenhang zwischen diesen beiden physikalischen Größen, oder besitzt jedes Objekt seine eigene, höchst individuelle Eichkurve?
Die Betrachtung verschiedener Eichkurven zeigt, dass es einen sehr einfachen Zusammenhang zu geben scheint: Impuls und Geschwindigkeit eines Körpers sind – zumindest auf den ersten Blick – proportional zueinander, wobei der Proportionalitätsfaktor von Objekt zu Objekt verschieden sein kann. Man könnte nun diese experimentelle Beobachtung einfach als physikalisches Gesetz formulieren und versuchen, es experimentell über möglichst große Geschwindigkeitsbereiche hinweg zu überprüfen.
Diese Vorgehensweise wollen wir hier jedoch nicht weiter verfolgen aus zwei Gründen:
Es zeigt sich, dass bei sehr großen Geschwindigkeiten Impuls und Geschwindigkeit nicht mehr proportional zueinander sind. Die Geschwindigkeit nimmt bei wachsendem Impuls nicht mehr so stark zu, wie die oben gezeigte Eichkurve bereits andeutet. Photonen haben sogar immmer dieselbe Geschwindigkeit – die Lichtgeschwindigkeit – können aber dennoch verschiedene Impulse haben.
Wir lernen nicht, warum der Zusammenhang gerade so und nicht anders aussieht.
Viel schöner wäre es, den Zusammenhang zwischen Impuls und Geschwindigkeit aufgrund einfacher plausibler Zusatzannahmen herzuleiten. Anschließend könnten wir diesen hergeleiteten Zusammenhang experimentell überprüfen und hätten so einen Test für unsere Zusatzannahmen zur Verfügung. Genau das wollen wir in den nächsten Kapiteln tun.
© Jörg Resag, www.joerg-resag.de
last modified on 16 June 2023