Als Feynmans Highschool-Lehrer Abram Bader seinen Schüler in das Prinzip der kleinsten Wirkung einweihte, hätte er ihm auch etwas über ein anderes Prinzip erzählen können. Gemeint ist das Fermatsche Prinzip, das man auch als Spezialfall des Wirkungsprinzips ansehen kann. Es beschäftigt sich mit der Frage, welchen Weg Lichtstrahlen nehmen, wenn sie beispielsweise auf einen Spiegel treffen oder wenn sie von einem Medium wie Luft in ein anderes Medium wie Glas oder Wasser eindringen. Später wird uns dieses Prinzip als Leitbild dienen, um Feynmans Zugang zur Quantenmechanik besser zu verstehen.
Bei einem Spiegel lautet das Gesetz, das die Reflexion eines Lichtstrahls festlegt, einfach Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. Wenn das Licht der Sonne dagegen an der Wasseroberfläche in das klare Wasser eines ruhigen Sees eindringt, ist das Gesetz komplizierter: das Licht wird im Wasser zum Lot hingebrochen. Die genauen Winkelverhältnisse werden dabei durch das Snelliussche Brechungsgesetz festgelegt.
Gibt es ein übergeordnetes Prinzip, aus dem sich beide Gesetze ableiten lassen? Das ist tatsächlich der Fall!
Um das Jahr 1650 stellte der französische Mathematiker und Jurist Pierre de Fermat das folgende Gesetz auf, das man auch als Fermatsches Prinzip bezeichnet:
Man kann tatsächlich zeigen, dass sich mit diesem einfachen Prinzip sowohl die Reflexion als auch die Brechung von Licht korrekt erklären lassen. Dabei muss man natürlich berücksichtigen, dass sich Licht in verschiedenen Medien (z.B. Wasser oder Luft) unterschiedlich schnell ausbreitet.
Aber warum gilt das Fermatsches Prinzip? Gibt es eine Erklärung dafür? Es gibt tatsächlich einen tieferen Grund, denn die Beschreibung von Licht durch Lichtstrahlen ist nur eine Näherung. Schaut man genauer hin, so stellt man fest, dass Licht eine elektromagnetische Welle ist. Und damit lässt sich das Fermatsche Prinzip tatsächlich verstehen!
Zwei Eigenschaften von Wellen sind es, die zusammen zum Fermatschen Prinzip führen: Die Fähigkeit zur konstruktiven und destruktiven Interferenz sowie die Möglichkeit, vom geraden Weg der Lichtstrahlen abweichen zu können, was beispielsweise zum Phänomen der Beugung führt.
Letzteres kann man mit dem Huygensschen Prinzip verstehen: Huygens stellte sich vor, dass von jeder Stelle einer Wellenfront eine kleine Kugelwelle (Elementarwelle) ausgeht. All diese Elementarwellen überlagern sich dann zu einer neuen Welle.
Wir können aber auch die kugelförmige Wellenfront jeder Elementarwelle selbst wieder als Quelle für viele neue Elementarwellen betrachten, deren Wellenfronten weitere Elementarwellen erzeugen usw. Ein Teppich aus winzigen Elementarwellen entsteht, die sich alle überlagern und so die Gesamtwelle formen. Greift man sich nun von irgendeiner Elementarwellenfront einen Punkt heraus und verbindet ihn mit einem Punkt auf der dort erzeugten nächsten Elementarwellenfront und so fort, so kann man durch geeignete Wahl der Punkte jeden beliebigen Weg zusammenstellen, der von den Wellen erfasst wird. In diesem Sinne kann man sagen, dass die Welle gleichzeitig jeden möglichen Weg durchläuft.
Diese Vorstellung hat folgende Konsequenz: Anstatt über alle denkbaren Elementarwellen zu reden,
kann man stattdessen auch über die Wellenbeiträge aller möglichen Wege nachdenken.
Die Wellenbeiträge der meisten Wege löschen sich dabei wie zufällig gegenseitig aus, sofern die Wege
wesentlich länger sind als die Wellenlänge.
Nur beim schnellsten Weg und seinen unmittelbaren Nachbarwegen ist der Wellenbeitrag ähnlich,
sodass sich diese Wellenbeiträge gegenseitig verstärken.
Licht wählt demnach bei hinreichend langen Wegen im Wesentlichen den schnellsten Weg!
Was hat das Ganze nun mit Feynman und seinem Zugang zur Quantenmechanik zu tun? Es zeigt, wie eine klassisch-geometrische Beschreibung sich aus einem Wellenbild ergeben kann. Gilt etwas ähnliches vielleicht auch für die klassische Mechanik mit ihren Teilchenbahnen? Könnte auch die Mechanik sich als Grenzfall aus einem Wellenbild ergeben, und was folgt daraus für dieses Wellenbild? Nun − wir werden sehen!
last modified on 19 August 2017