Im Herbst 1939 fuhr Feynmans Vater Melville seinen Sohn zur altehrwürdigen Universität von Princeton, die knapp zwei Autostunden südwestlich von New York liegt. Feynman passte trotz des dortigen klassisch-britischem Ambientes gut nach Princeton, denn hier wurde handfeste Physik auf hohem Niveau betrieben.
Da Feynman vielseitig interessiert war, machte er es sich zur Regel, im großen Speisesaal nicht nur bei der Gruppe der Physiker zu sitzen, sondern auch andere Gruppen kennenzulernen. Eines Tages geriet er mit den Philosophen in eine Diskussion über das Buch Prozess und Realität des britischen Philosophen und Mathematikers Alfred North Whitehead. Dabei fiel ständig der Begriff essential object, und nach einiger Diskussion wandte sich der Professor an Feynman und fragte ihn: „Würden Sie sagen, ein Elektron ist ein essential object?“
Feynman hatte keine Ahnung, und so rettete er sich mit einer Gegenfrage: „Ist denn ein Backstein ein essential object?“ Eine wilde Diskussion entbrannte, in der die unterschiedlichsten Ansichten geäußert wurden. Das war aus Feynmans Sicht typisch für Philosophen − sie wussten selbst auf so eine grundlegende Frage keine eindeutige Antwort. Welchen Sinn machte da ein Seminar über das ganze Buch?
Feynman selbst hätte die Frage nach dem Stein oder dem Elektron so beantwortet: Beides sind theoretische Konstrukte, die wir verwenden, um die Natur besser zu verstehen. Sie sind so nützlich, dass wir einen Stein oder ein Elektron in gewissem Sinn als real ansehen können.
Die Ansichten darüber, was man in der Physik als real ansehen kann, haben sich im Lauf der Zeit immer wieder gewandelt. So hat der österreichischer Physiker und Philosoph Ernst Mach noch um das Jahr 1900 die reale Existenz von Atomen in Zweifel gezogen und schnippisch gefragt: „Ham se welche g‘sehn?“ Die Frage, ob ein physikalischer Begriff etwas Reales darstellt, begegnet uns in diesem Buch an mehreren Stellen immer wieder.
John Archibald Wheeler wurde Feynmans Betreuer in Princeton − ein großes Glück für Feynman. Wheeler war nur sieben Jahre älter und passte perfekt zu Feynman, denn unter der Oberfläche eines seriösen Gentlemans verbarg sich einer der kreativsten Köpfe der modernen Physik. Wheeler schreckte auch vor bizarr anmutenden Ideen nicht zurück, seien es nun Paralleluniversen, Quantenschaum, Wurmlöcher oder Schwarze Löcher – wobei die letzten drei Begriffe bezeichnenderweise von ihm geprägt wurden. Feynman sagte später einmal über Wheeler: „Manche Leute glauben, Wheeler wurde in seinen späteren Jahren verrückt – aber er war schon immer verrückt!“ Wheelers kreative Denkweise passte gut zu Feynman, und nach kurzen Anfangsschwierigkeiten entwickelte sich eine lang anhaltende Freundschaft und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen diesen beiden brillanten Physikern.
last modified on 23 August 2017