Anfang 1949 begann Feynman, sich nach einer Veränderung zu sehnen. Der Herbst und der Winter in Ithaca kamen und Kälte und Frost überzogen die Landschaft. Feynman sehnte sich nach Wärme und Sonne.
Für den Winter 1950 lud Robert Bacher Feynman dazu ein, einige Vorlesungen am Caltech (California Institute of Technology) in Pasadena bei Los Angeles zu halten. Das sonnige Kalifornien war genau das, was der lebenslustige Feynman liebte, und er begann darüber nachzudenken, ob er nicht ans Caltech wechseln sollte. Schon bald erhielt Feynman ein entsprechendes Angebot.
Als man dies an der Cornell mitbekam, machte man ihm auch dort Angebote, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Feynman kam sich vor wie der Esel zwischen den beiden Heuhaufen. Kalifornien lockte mit seinem angenehmen Klima, doch er mochte auch Cornell immer noch. Doch nach einigem hin und her mahm er schließlich das Angebot des Caltech an.
Im Herbst 1950 wechselte er ans Caltech und verbrachte wie zuvor vereinbart die Zeit von August 1951 bis Juni 1952 in Rio, wo er in einem Hotel an der Copacabana mit Blick auf den wunderschönen Strand wohnte, die Abende in den Bars verbrachte und viele Kontakte zu jungen hübschen Frauen knüpfte. Er lernte Portugiesisch und nutzte die Gelegenheit, im Land des Sambas sein Bongospiel zu perfektionieren.
Gegen Ende seines Aufenthalts in Brasilien erinnerte sich Feynman an eine junge sehr attraktive Frau, die er bereits in Ithaca kennengelernt hatte und die zufällig ebenfalls nach Kaliforniern gezogen war. Ihr Name war Mary Louise Bell, doch er nannte sie meist einfach nur Mary Lou. Feynman sehnte sich seit dem Tod von Arline nach einer festen Beziehung. Kurzerhand schrieb er Mary Lou einen Brief und machte ihr darin einen Heiratsantrag.
Im Juni 1952 heirateten sie. Doch ihre Ehe war nicht glücklich, denn Mary Lou hatte eine ganz andere Lebenseinstellung als Richard. Nach zwei Jahren trennten sie sich und die Ehe wurde schließlich nach vier Jahren im Sommer 1956 geschieden, was Feynman als Befreiungsschlag empfunden haben dürfte.
Feynman zweifelte immer wieder daran, ob der Wechsel von Ithaca nach Kalifornien die richtige Entscheidung gewesen war. An einem besonders üblen Smogtag rief er dann tatsächlich an der Cornell-Universität an und erkundigte sich, ob er zurückkommen könne.
Doch bevor es dazu kam, hatte Feynman einige Schlüsselerlebnisse, die ihn von dieser Idee abbrachten: „Gott muss es so arrangiert haben, um mir bei meiner Entscheidung zu helfen.“ Das Caltech war nämlich ein Ort, an dem hervorragende Naturwissenschaftler der verschiedensten Disziplinen arbeiteten und ihm lauter aufregende Dinge erzählten. So etwas gab es an der Cornell in dieser Form nicht. Als Cornell später anrief, musste er ihnen gestehen, dass er seine Meinung geändert hatte. Und dabei sollte es bleiben.
Was die Physik betrifft, so hätte es Feynman nach 1950 ruhig angehen lassen können. Er hatte bereits Bemerkenswertes geleistet − mehr als die meisten anderen Physiker in ihrem ganzen Leben zustande bringen. Seine Stellung an der Universität war gesichert und in Fachkreisen war er ein weithin anerkannter Wissenschaftler. Zudem hatte Feynman das Alter von dreißig Jahren mittlerweile überschritten − eine Schallmauer, was die Leistungsfähigkeit an der Spitze der Wissenschaft betrifft.
Aber Feynman war noch lange nicht dazu bereit, sich zurückzulehnen − dazu liebte er die Physik zu sehr. Die Probleme der QED waren weitgehend gelöst −– welchem Problem sollte er sich als nächstes zuwenden?
Ein Forschungsfeld, das sich damals anbot, waren die neu entdeckten Mesonen. Sie entstehen beispielsweise bei der Kollision von Protonen mit anderen Protonen oder mit Atomkernen. Dabei materialisieren sie sich aus der verfügbaren Kollisionsenergie, sobald diese groß genug ist, und zerfallen innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder. In der Natur finden solche Kollisionen in der oberen Atmosphäre statt, wenn energiereiche Protonen aus dem Weltall auf die Atomkerne von Stickstoff und Sauerstoff treffen. Die ersten Mesonen entdeckte man − ebenso wie zuvor das Positron − denn auch in ebendieser kosmischen Höhenstrahlung.
Mittlerweile war man aber nicht mehr alleine auf diese natürlichen Kollisionsereignisse angewiesen. Die neuen Teilchenbeschleuniger waren in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, dass man auch an ihnen die notwendigen Kollisionsenergien erreichen konnte und so in der Lage war, die verschiedensten Mesonen gezielt und in großer Zahl zu erzeugen. Nach und nach tauchte in den Experimenten ein ganzer Zoo neuer Teilchen auf.
Konnten alle diese Teilchen elementare Gebilde sein? Wie passten sie mit den anderen Teilchen zusammen? Viele Physiker stürzten sich auf diese Fragen, und auch Feynman interessierte sich dafür. Leider war die Lage ziemlich chaotisch. Langsam bekam Feynman den Eindruck, die Zeit sei noch nicht reif für eine umfassende Theorie.
Also machte sich Feynman auf die Suche nach einem Gebiet, das nicht so sehr im Zentrum des allgemeinen Interesses stand und das dennoch spannende Probleme bot. Er fand es, als er begann, sich mit der Physik bei sehr tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt zu beschäftigen. Hier gab es verblüffende makroskopische Quantenphänomene, die noch auf eine theoretische Erklärung warteten.
last modified on 13 September 2017