Was geschieht, wenn man ein Gas immer weiter abkühlt? Die Antwort scheint einfach: Die mittlere Bewegungsenergie der Atome oder Moleküle nimmt immer weiter ab, bis die Anziehungskräfte zwischen den Teilchen diese zu einer Flüssigkeit vereinen können. Kühlt man diese noch weiter ab, so werden die Teilchen schließlich auf feste Gitterplätze gezwungen und die Flüssigkeit erstarrt zu einem Festkörper.
Dabei gibt es eine untere Grenze: den absoluten Nullpunkt der Temperatur, der bei null Kelvin (minus 273,15 °C) liegt. Nach klassischer Vorstellung − die wir gleich noch durch die Quantenmechanik modifizieren werden − haben die Atome ihre Bewegungsenergie komplett verloren. Eine weitere Abkühlung ist nicht mehr möglich.
War es das schon, was sich über die Physik bei tiefen Temperaturen sagen lässt? Schauen wir nach:
Im Jahr 1908 glückte dem niederländischen Physiker Heike Kamerlingh Onnes erstmals die Verflüssigung von Helium bei 4,2 Kelvin (minus 269 °C). Kein anderer Stoff bleibt bei sinkender Temperatur so lange gasförmig (auch Wasserstoff nicht).
Das flüssige Helium konnte Onnes wiederum als Kühlmittel verwenden, um auch andere Materialien auf sehr tiefe Temperaturen herunterzukühlen. Als Onnes dies mit Quecksilber tat und dessen Eigenschaften untersuchte, machte er im Jahr 1911 eine überaus erstaunliche Entdeckung: Knapp unterhalb von 4,2 Kelvin verlor das Metall plötzlich jeglichen elektrischen Widerstand. Onnes hatte die Supraleitung entdeckt!
Auch Helium selber war für einige Überraschungen gut. In den 1920er und frühen 1930er Jahren wurde nach und nach klar, dass flüssiges Helium einige sonderbare Eigenschaften besitzt. Sie werden sichtbar, wenn man es deutlich unter seinen Siedepunkt von 4,2 Kelvin abkühlt, den es bei Normaldruck besitzt. Sobald sich die Temperatur dem Wert von rund 2,2 Kelvin nähert, geschieht etwas Merkwürdiges:
Das flüssige Helium beginnt zunehmend stärker zu „kochen“. Doch dann, beim Unterschreiten von 2,2 Kelvin, hört die Blasenbildung ganz plötzlich auf. Die zuvor wie kochendes Wasser aussehende Flüssigkeit wird auf einmal ganz ruhig (siehe z.B. das eindrucksvolle Video auf http://www.alfredleitner.com/superfluid.html).
Was geschieht hier? Genauere Untersuchungen zeigten, dass sich die Eigenschaften des
flüssigen Heliums beim Unterschreiten der kritischen Temperatur von 2,2 Kelvin schlagartig ändern.
Wenn beispielsweise eine normale Flüssigkeit durch eine Röhre fließt, so wird sie durch ihre innere Reibung − Viskosität genannt − normalerweise abgebremst, und zwar umso stärker, je enger die Röhre ist. Ganz feine Poren mit Durchmessern von weniger als einem Mikrometer kann eine Flüssigkeit normalerweise gar nicht mehr durchdringen. Füllt man also eine Flüssigkeit in ein Gefäß, dessen Boden von derart feinen Poren durchzogen wird, so ist dieser Boden für die Flüssigkeit undurchdringlich.
Sobald man Helium jedoch unter 2,2 Kelvin abkühlt, geschieht etwas Erstaunliches: Der poröse Boden wird auf einmal undicht. Das flüssige Helium durchdringt die feinen Poren und tropft nach unten, so als ob die Poren keinen Widerstand mehr darstellten. Das Helium scheint seine Viskosität komplett verloren zu haben − es ist gewissermaßen flüssiger als flüssig geworden, weshalb man diesen exotischen Materiezustand supraflüssig oder suprafluid nennt.
Die meisten Heliumatome scheinen dabei keine zufälligen Bewegungen oder Schwingungen mehr auszuführen, denen sich eine Wärmeenergie und Temperatur zuordnen ließe. Wenn sie sich überhaupt bewegen, dann offenbar nur streng geordnet − also im Gleichschritt.
Mit den Methoden der klassischen Physik war das exotische Verhalten flüssigen Heliums nicht zu erklären. Die Quantenmechanik musste eine entscheidende Rolle spielen.
Einen ersten Hinweis in diese Richtung liefert ein weiteres bemerkenswertes Phänomen: Helium ist der einzige Stoff, der bei Normaldruck nicht gefriert, selbst wenn wir ihn bis auf null Kelvin abkühlen. Erst bei einem zusätzlichen Druck von mindestens 2,5 Megapascal (25 Bar) gelingt es, auch Helium in einen Festkörper zu verwandeln. Nach klassischer Vorstellung ist ein solches Verhalten unmöglich!
In der Quantentheorie gibt es keine absolut ruhenden lokalisierten Objekte. Das liegt an der Heisenbergschen Unschärferelation, die Folgendes aussagt: Je genauer man den Ort eines Teilchens eingrenzen kann, umso ungenauer ist sein Impuls festgelegt − und umgekehrt.
Was bedeutet die Unschärferelation nun allgemein für das Verhalten beliebiger Atome? Bei sinkender Temperatur versuchen die Anziehungskräfte zwischen den Atomen, diese zu einem Kristallgitter zusammenzufügen und damit den Aufenthaltsort jedes Atoms stark einzuschränken. Die Atome wehren sich dagegen durch ihre quantenmechanische Zufallsbewegung. Normalerweise sind die Anziehungskräfte zwischen den Atomen aber stark genug, sich gegen diese Zufallsbewegung durchzusetzen und die Atome auf feste Plätze in einem Kristallgitter zu zwingen.
Bei Heliumatomen ist das anders! Zwischen ihnen wirken nur sehr schwache Kräfte, und aufgrund ihrer geringen Masse fällt die quantenmechanische Zufallsbewegung ziemlich stark aus. Sie zittern und zappeln so heftig, dass die schwachen Kräfte sogar bei Null Kelvin nicht ausreichen, die Heliumatome auf ihren Gitterplätzen zu halten. Helium bleibt daher bei Normaldruck sogar am absoluten Nullpunkt flüssig.
Wie sieht es mit den anderen Eigenschaften von flüssigem Helium aus? Konnte Feynman mithilfe der Quantenmechanik auch verstehen, warum Helium unterhalb von 2,2 Kelvin suprafluid wird? Hier half die folgende Entdeckung weiter:
Im Jahr 1924 hatte Albert Einstein basierend auf einer Arbeit des jungen indischen Physikers Satyendranath Bose herausgefunden, dass sich Bosonen (beispielsweise Atome mit Gesamtspin Null) unterhalb einer kritischen Temperatur zunehmend in einem gemeinsamen Quantenzustand ansammeln und sich darin absolut synchron verhalten. Man spricht hier von der sogenannten Bose-Einstein-Kondensation.
Das synchrone Verhalten der Bosonen in einem Bose-Einstein-Kondensat erinnert in vielem an das Verhalten der suprafluiden Komponente von flüssigem Helium. Zudem sind die allermeisten Heliumatome (genauer das Helium-Isotop Helium-4) Bosonen. Handelt es sich bei suprafluidem Helium womöglich um ein Bose-Einstein-Kondensat? Ist die Suprafluidität von Helium damit ein makroskopisches Quantenphänomen?
Es gibt nur ein Problem: Einsteins Überlegung gilt strenggenommen nur für ein ideales Bosongas, bei dem sich die einzelnen Gasteilchen wie winzige vollelastische Gummibälle verhalten. Außer den harten, elastischen Stößen gibt es in diesem Modell keinerlei Kräfte zwischen den Gasteilchen. Außerdem müssen die Gasteilchen so klein sein, dass ihre Ausdehnung keine Rolle spielt. Diese Idealvorstellungen sind bei flüssigem Helium nicht erfüllt.
Lässt sich unter diesen Bedingungen Einsteins Überlegung noch auf Heliumatome übertragen? Das war eine der Fragestellungen, denen sich Feynman in den frühen 1950er Jahren zuwandte. Dabei fand er heraus, dass Wechselwirkung und Ausdehnung der Heliumatome diese nicht daran hindert, sich in vielerlei Hinsicht wie Teilchen in einem idealen Gas zu verhalten. Die Bewegung eines Heliumatoms wird durch die Anwesenheit der anderen Atome nämlich nicht sonderlich behindert, da diese Atome ausweichen und so den Weg freigeben können. Die Ausweichbewegung bewirkt im Wesentlichen nur, dass insgesamt mehr Masse bewegt werden muss als in einem idealen Gas. Daher kann man Einsteins Überlegungen, die für ein ideales Bose-Gas gelten, gut auf flüssiges Helium übertragen. Ein Bose-Einstein-Kondensat ist damit möglich.
Welche Quantenanregungen kann es im suprafluiden Helium geben, wenn sich einige der Heliumatome nicht im quantenmechanischen Grundzustand befinden?
Der sowjetische Physiker Lew Landau unternahm im Jahr 1941 einen ersten Versuch, diese Quantenzustände ansatzweise zu ermitteln, ohne einzelne Heliumatome explizit zu berücksichtigen. Landaus Untersuchungen legten nahe, dass es unterhalb von etwa 0,5 Kelvin nur eine einzige Sorte von Quantenanregungen geben sollte, die eng mit Schallwellen im flüssigen Helium zusammenhängen, also mit Dichteschwankungen in Ausbreitungsrichtung. Man bezeichnet diese Quantenanregungen als Phononen. So wie Photonen die Quanten der Lichtwellen sind, so sind Phononen Schallwellenquanten. Je höher die Temperatur im flüssigen Helium dabei ansteigt, umso mehr Phononen gibt es.
Oberhalb von etwa 0,5 Kelvin kommt eine weitere Sorte von Quantenanregungen dazu, die Landau als Rotonen bezeichnete. Wie die Bezeichnung schon andeutet, sind Rotonen Quanten makroskopischer Rotationsbewegungen im flüssigen Helium. Wie genau die Heliumatome in einem Roton zusammenwirken, blieb aber zunächst im Dunkeln.
Landaus Arbeit lieferte eine gewisse Erklärung dafür, warum das Bose-Einstein-Kondensat − also die Gesamtheit der Heliumatome, die sich im gemeinsamen Grundzustand befinden − suprafluid ist und keinerlei innere Reibung aufweist: Es ist nämlich schwierig, eine Gruppe von Heliumatomen gerade so aus dem Bose-Einstein-Kondensat herauszulösen, dass ein Phonon oder Roton mit passender Energie und passendem Impuls entsteht. Reibung hat damit kaum eine Angriffsfläche, um Energie auf die Heliumatome im Kondensat zu übertragen, sodass sich die suprafluide Komponente reibungsfrei bewegt.
Feynman stellte sich die Frage, ob es nicht auch andere Quantenanregungen mit niedriger Energie geben könnte. Warum sollten es nur Phononen und Rotonen sein?
Um hier weiterzukommen musste Feynman die atomare Struktur von flüssigem Helium quantenmechanisch berücksichtigen. Dabei musste er die richtigen Vereinfachungen vornehmen und ein gutes intuitives Gespür dafür haben, was man weglassen darf und was nicht.
Insbesondere kann es keine Rolle spielen, welches Heliumatom man an welchem Ort antrifft, denn die Heliumatome sind quantenmechanisch ununterscheidbar. Vertauscht man zwei Atome, so muss die Wahrscheinlichkeit dieselbe bleiben. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit hat weitreichende Konsequenzen. Sie ist auch die Grundlage des Bose-Einstein-Kondensats!
Feynman begann, sich aufgrund allgemeiner physikalischer Überlegungen ein Bild davon zu machen, wie die Quantenbeschreibung von flüssigem Helium aussehen könnte. So konnte er genau sichtbar machen, wie Phononen als Schallwellenquanten bei niedrigen Energien entstehen und wann sich die ersten Rotonen formen. Es gelang ihm sogar, eine Dispersionsrelation genannte Formel für den Zusammenhang zwischen Energie und Impuls der Quantenanregungen aufzustellen und so klarzumachen, wie sich Phononen und Rotonen voneinander unterscheiden. Die einzige Freiheit in dieser Formel ist eine bestimmte Funktion, die mit den mittleren Abständen der Heliumatome in der Flüssigkeit zusammenhängt. Diese Funktion lässt sich durch die Streuung von Röntgenstrahlen oder Neutronen an flüssigem Helium experimentell bestimmen.
An einem Phänomen der Tieftemperaturphysik scheiterte jedoch auch Feynman: an der Supraleitung, also dem Verschwinden des elektrischen Widerstands in sehr kalten elektrischen Leitern. Obwohl die Supraleitung viele Ähnlichkeiten mit der Suprafluidität aufweist, konnte er dafür keine zufriedenstellende Erklärung finden. Dies gelang im Jahr 1957 den amerikanischen Physikern John Bardeen, Leon Neil Cooper und John Robert Schrieffer − ihre sogenannte BCS-Theorie wurde im Jahr1972 mit dem Physik-Nobelpreis belohnt.
a) Suprafluides Helium als Bose-Einstein-Kondensat
b) Landaus Erklärung für die Suprafluidität von flüssigem Helium
c) Helium als Quantensystem
Dabei ist β = 1/kT mit der Boltzmann-Konstante k und der Temperatur T. Die Summe geht über alle Quantenzustände des flüssigen Heliums, die mit dem Index n durchnummeriert werden, wobei En die Energie des n-ten Zustands ist. Hier sind nicht etwa die recht einfachen Quantenzustände eines einzelnen Helium-Atoms gemeint, sondern die sehr komplexen Quantenzustände des Gesamtsystems aus sehr vielen Helium-Atomen. Es ist daher praktisch ausgeschlossen, diese Zustandssumme jemals exakt berechnen zu können.
Feynman ersann nun den folgenden Trick, um dennoch etwas über die Zustandssumme aussagen zu können: Er formulierte sie in ein spezielles Pfadintegral um, dessen mathematischen Kern wir so interpretieren können, als würden sich die Heliumatome alle in einer Zeitspanne von Null bis β von ihrem jeweiligen Ursprungsort fortbewegen und am Ende wieder an ihrem Ursprungsort ankommen, wobei auch Vertauschungen von Atomen erlaubt sind, denn die Atome sind quantenmechanisch ununterscheidbar.
Jede Ausgangs-Konfiguration der Helium-Atome und jede Bewegungsform, die bei dieser Ausgangs-Konfiguration startet und zur Zeit β dort wieder endet, stellt einen Pfad des Gesamtsystems im Pfadintegral dar. Dabei wird jeder Pfad mit einem Faktor gewichtet, der exponentiell mit der Gesamtenergie E abnimmt, die alle Heliumatome zusammen während der Bewegung im Mittel aufweisen. Diese mittlere Gesamtenergie E muss also möglichst kein sein, damit ein Pfad einen relevanten Beitrag liefert. Dafür dürfen sich die Heliumatome nicht zu nahe kommen, denn sonst steigt durch ihre gegenseitige Abstoßung die potentielle Energie − sie müssen sich also gegenseitig ausweichen. Sie dürfen sich in der Zeitspanne β auch nicht zu weit bewegen und damit zu schnell werden, denn sonst wächst ihre Bewegungsenergie zu stark an.
Man erhält eine gute Näherung für die Zustandssumme, wenn man nur die wichtigen Pfade mit kleinem E im Pfadintegral berücksichtigt. Mithilfe weiterer Zusatzüberlegungen erhielt Feynman so schließlich einen expliziten Näherungs-Ausdruck für die Zustandssumme. Aus ihr konnte er ablesen, dass sich die Heliumatome in flüssigem Helium näherungsweise als freie Teilchen mit veränderter Masse beschreiben lassen und dass es unterhalb einer bestimmten Temperatur zu einer Bose-Einstein-Kondensation kommt.
wobei wir die Beziehung P = M v verwendet haben. Je kleiner die Kugelgeschwindigkeit v also ist, umso größer muss die Impulsabgabe ΔP sein, um eine bestimmte Energieabgabe ΔE sicherzustellen. Wenn der Energie- und Impulsverlust der Kugel durch die Erzeugung einer Quantenanregung mit Energie ε und Impuls p zustande kommen soll, so muss ΔE = ε und ΔP = p sein. Setzen wir dies in die Formel ein und stellen nach der Kugelgeschwindigkeit v frei, so erhalten wir
Diese Bedingung muss die Kugelgeschwindigkeit erfüllen, damit die Quantenanregung im flüssigen Helium neu entstehen kann und die Kugel dadurch Energie und Impuls verliert (genau genommen darf v auch größer sein, wenn der Impuls der Quantenanregung nicht in dieselbe Richtung wie die Kugelbewegung zeigt − die obige Bedingung gibt also eine Mindestgeschwindigkeit für die Kugel an). Bei Phononen sind Energie und Impuls über die Beziehung
miteinander verknüpft − ganz analog zu Photonen, nur dass bei Phononen c nicht die Lichtgeschwindigkeit, sondern die Schallgeschwindigkeit im flüssigen Helium ist. Die Kugel müsste demnach mindestens mit Schallgeschwindigkeit durch das Helium flitzen, um Energie durch die Erzeugung von Phononen zu verlieren. Noch extremer ist die Situation bei der Anregung von Rotonen, denn diese können sogar den Impuls p = 0 aufweisen und trotzdem eine Mindestenergie ε tragen, sodass formal die Kugel in diesem Fall sogar unendlich schnell sein müsste.
Für die quantenmechanische Beschreibung von flüssigem Helium muss man analog jeder Ortskonfiguration x1, x2, ... der Heliumatome eine gemeinsame Quantenamplitude ψ(x1, x2, ... ) zuordnen, deren Betragsquadrat die Wahrscheinlichkeit dafür angibt, bei einer Ortsmessung die Helium-Atome an den entsprechenden Stellen x1, x2 und so weiter anzutreffen. Die Helium-Atome werden also quantenmechanisch nicht einzeln durch je eine eigene Quantenamplitude beschrieben, sondern es gibt nur eine gemeinsame Amplitude für das Gesamtsystem aus allen Helium-Atomen. Das Ganze ist in der Quantenmechanik mehr als die Summe seiner Teile!
Dabei kann es keine Rolle spielen, welches Helium-Atom man am Ort x1 und welches am Ort x2 etc. findet, denn die Helium-Atome sind quantenmechanisch ununterscheidbar. Die Wahrscheinlichkeit, beispielsweise Atom 1 am Ort x1 und Atom 2 am Ort x2 zu finden, muss genauso groß sein wie die umgekehrt. Vertauscht man also zwei beliebige Orte in der Wellenamplitude, so muss deren Betragsquadrat unverändert bleiben. Die Wellenamplitude kann also beim Vertauschen entweder ebenfalls unverändert bleiben, oder aber sie kann ihr Vorzeichen wechseln, denn dieses fällt beim Quadrieren wieder weg.
Der erste Fall ohne Vorzeichenwechsel gilt bei Bosonen, also bei allen Teilchen mit ganzzahligem Spin. Unsere Helium-4-Atome gehören zu dieser Kategorie, wie wir wissen. Der zweite Fall mit Vorzeichenwechsel gilt bei Fermionen, also bei Teilchen mit halbzahligem Spin wie Elektronen, Protonen oder Neutronen.
Um die Wellenfunktion von flüssigem Helium − also die Quantenamplituden für alle möglichen Konfigurationen der Heliumatome − auszurechnen, muss man im Prinzip die entsprechende Schrödingergleichung lösen. Das ist schon bei wenigen Teilchen schwierig. Bei den unzähligen Teilchen in einer Flüssigkeit ist es praktisch unmöglich.
Feynman begann daher, sich aufgrund allgemeiner physikalischer Überlegungen ein Bild davon zu machen, wie diese Wellenfunktion aussehen könnte. Dabei hilft uns die Vorstellung einer schwingenden Gitarrensaite weiter: Bei der Schwingung mit der niedrigsten Energie gibt es in der Mitte eine große Schwingungsamplitude, die zu den Rändern hin immer kleiner wird. Das ist die Grundschwingung, mit der eine Gitarrensaite normalerweise schwingt. Zupft man die Saite aber geschickt an, so kann man auch Oberschwingungen erzeugen, bei denen es mehr als einen Schwingungsbauch gibt, die von dazwischenliegenden Knotenpunkten getrennt werden. Diese Oberschwingungen tragen umso mehr Energie, je mehr Schwingungsbäuche sie besitzen und je kürzer die Schwingungsbäuche damit sind.
Analog ist es auch bei der Wellenfunktion des flüssigen Heliums, wobei wir uns jeden Ort x auf der Gitarrensaite durch eine komplette Ortskonfiguration x1, x2 etc. sämtlicher Heliumatome ersetzt denken müssen.
Im quantenmechanischen Grundzustand der Helium-Flüssigkeit gibt es auch hier nur einen Schwingungsbauch und keine Knotenpunkte. Die Wellenamplitude ψ ist also für alle Konfigurationen zu einem bestimmten Zeitpunkt beispielsweise positiv. Dabei ist die Amplitude für diejenigen Konfigurationen am größten, bei denen die Heliumatome einen gleichmäßigen mittleren Abstand voneinander haben und sich die anziehenden und abstoßenden Kräfte zwischen ihnen ausgleichen. Diese Konfigurationen sind also am wahrscheinlichsten − sie bilden gewissermaßen die Mitte der Gitarrensaite. Andere Konfigurationen mit ungleichmäßiger Verteilung der Atome sind dagegen unwahrscheinlicher, haben also eine kleinere Amplitude − sie entsprechen Orten am Rand der Gitarrensaite.
Die angeregten Zustände entsprechen nun den Oberschwingungen der Gitarrensaite. Es muss also Konfigurationen mit positiver und mit negativer Amplitude geben, und es muss sogar Konfigurationen mit Amplitude Null geben, die den Knotenpunkten entsprechen.
Wie sehen nun die Quantenzustände mit möglichst niedriger Energie aus, die den Phononen von Landau entsprechen?
Auf der Gitarrensaite ist die Schwingungsenergie umso niedriger, je weniger Schwingungsbäuche es gibt, sodass diese Schwingungsbäuche möglichst weit auseinanderliegen. Analog müssen wir vorgehen, um die energetisch tief liegenden Anregungszustände im flüssigen Helium zu finden. Wir müssen für die Platzierung der Schwingungsbäuche Konfigurationen der Heliumatome finden, die möglichst weit auseinanderliegen. Das tun sie, wenn viele Atome eine große Strecke versetzt werden müssen, um von einer Konfiguration zur anderen zu gelangen, wobei sie natürlich den Rand der Flüssigkeit − also den Gefäßrand oder die Oberfläche − nicht überschreiten dürfen. Außerdem sollte sich die mittlere Dichte der Atome dabei nicht zu stark ändern, da stark zusammengequetschten Konfigurationen zu unwahrscheinlich sind und eine zu niedrige Amplitude haben − wir wollen schließlich einen Schwingungsbauch dort platzieren.
Eine einfache Idee wäre es, die Flüssigkeit in zwei Hälften zu teilen und die Atome links und rechts miteinander zu vertauschen. Sehr viele Atome wären dann weit versetzt worden. Es gibt nur ein Problem: Da die Atome quantenmechanisch ununterscheidbar sind, wäre die neue Konfiguration dieselbe wie die alte und muss auch dieselbe Amplitude haben. So erhält man also keine weit auseinanderliegenden Konfigurationen.
Feynman dachte gründlich über dieses Problem nach und kam zu dem Schluss, dass man am Weitesten kommt, wenn man sehr viele Atome nur ein kleines Stück versetzt, so dass es zu einer leichten Veränderung der mittleren Dichte kommt. Bewegt man die Atome zu weit, so wird entweder die Dichteschwankung zu groß und damit zu unwahrscheinlich für einen Schwingungsbauch, oder einige der eingeengten Atome müssen an die nun leeren Stellen der ursprünglichen Atome treten. Das entspricht dann aber nahezu einer Vertauschung der Atome, und Vertauschungen ändern die Konfiguration nicht. Ähnlich ist es, wenn man eine neue Konfiguration dadurch herstellt, dass man die Atome gewissermaßen umrührt, ohne dabei die mittlere Dichte zu verändern. Da die Atome nicht unterscheidbar sind, sieht die neue Konfiguration fast so aus wie die ursprüngliche, ist also von dieser nicht allzu weit entfernt.
Die schwachen großräumigen Dichteschwankungen ergeben also die am weitesten voneinander entfernten Konfigurationen, die wir für die Schwingungsbäuche der niedrigsten Quanten-Oberschwingungen betrachten müssen. Solche Dichteschwankungen lassen sich immer aus Schallwellen zusammensetzen, d.h. die energetisch am tiefsten liegenden Quantenanregungen entsprechen der quantenmechanischen Beschreibung von Schallwellen im flüssigen Helium. Diese Quantenzustände sind genau die Phononen, die uns oben bereits begegnet sind. Damit hatte Feynman die Vermutung von Landau bestätigt und auf eine solide Basis gestellt.
Landau hatte noch eine zweite Sorte von Quantenanregungen gefordert, zu deren Erzeugung eine gewisse Mindestenergie erforderlich ist: die Rotonen. Sie müssen anderen Veränderungen der Konfigurationen entsprechen, bei denen sich die mittlere Dichte nicht ändert, denn diesen Fall hatten wir mit den Phononen ja schon erfasst. Diese Konfigurationen liegen nach den obigen Überlegungen enger zusammen als diejenigen mit ausgedehnten Dichteschwankungen. Daher können auch die Schwingungsbäuche und Knoten der Quantenamplitude für diese Konfigurationen nicht so weit auseinanderliegen, was einer höheren Schwingungsenergie der Quantenwelle entspricht. Das passt gut zu der von Landau geforderten Mindestenergie der Rotonen.
last modified on 27 September 2017