Was ist von Richard Feynman geblieben?
Den meisten Physikern ist er wohl besonders durch seine Feynman-Diagramme bekannt, die die gesamte moderne Physik durchziehen wie kaum ein anderes Werkzeug. Feynman selbst war von seinen Diagrammen nicht ganz so beeindruckt. Er hatte das Gefühl, nichts fundamental Neues entdeckt, sondern nur eine neue Rechenmethode entwickelt zu haben.
Besonders stolz war er dagegen auf seine weniger bekannte Arbeit zur Brechung der Spiegelsymmetrie bei schwachen Zerfällen. Feynman hatte hier den Eindruck gehabt, das einzige Mal in seinem Leben ein neues Naturgesetz entdeckt zu haben, das niemand sonst kannte.
Auch in ganz anderen Gebieten der Physik hat Feynman seine Spuren hinterlassen hat, beispielsweise bei der Beschreibung des suprafluiden Verhaltens von flüssigem Helium. Auch das Problem der Quantengravitation hatte ihn über viele Jahre hinweg immer wieder in seinen Bann gezogen. Und er war bereits fünfzig Jahre alt, als es ihm mit seinem Partonmodell gelang, die tiefinelastischen Elektron-Proton-Kollisionen am SLAC zu erklären und so dem Quarkmodell seines Kollegen Gell-Mann zum Durchbruch zu verhelfen.
Es ist interessant, was Gell-Mann selbst für Feynmans größte Errungenschaft hielt: In Dick Feynman − The Guy in the Office down the Hall (Physics Today, Feb. 1989) schreibt er nach Feynmans Tod, die Pfadintegral-Formulierung der Quantenmechanik sei vermutlich fundamentaler als die übliche Standardformulierung. Das zeige sich, wenn man versucht, das gesamte Universum als Quantensystem zu beschreiben, einschließlich der Gravitation. Das Pfadintegral könnte die fundamentale Grundlage der Quantentheorie und damit der gesamten Physik sein. Vielleicht sind Feynmans Pfadintegrale sogar der einzig wirklich fundamentale Weg, um eine Quantentheorie zu formulieren.
Feynman kam auf seine genialen Ideen, weil er es liebte, jedes Problem auf ganz neue Weise zu betrachten − er wollte anders sein. Dieser Charakterzug machte ihn zu einem hervorragenden Ideengeber und Visionär in ganz unterschiedlichen Bereichen, so auch in Gebieten wie der Nanotechnologie oder der Computerwissenschaft. Als Feynman gebeten wurde, eine scheinbare Standardaufgabe zu übernehmen und die Einführungsvorlesung für neue Physikstudenten am Caltech zu halten, war klar, dass es keine der üblichen Standardvorlesungen werden würde. Auf diese Weise entstanden seine berühmten Feynman Lectures, deren Popularität bis heute ungebrochen ist. Feynman selbst war zunächst eher skeptisch, was den Erfolg seiner Vorlesungen betraf. Am Ende seines Lebens sah jedoch auch er, dass die Feynman Lectures zu den besten Dingen gehörten, die er je zustande gebracht hatte.
Vielen Menschen ist Feynman nicht nur durch seine Physik im Gedächtnis geblieben − es sind vielmehr die unzähligen Anekdoten, die sich um seine Person ranken. Murray Gell-Mann war davon wenig begeistert. Was Gell-Mann an Feynman dagegen sehr schätzte, war sein direkter und wenig pompöser Stil. Feynman wollte, dass die Menschen verstehen konnten, was er zu sagen hatte.
Herausragende Wesenszüge Feynmans waren seine Ehrlichkeit, seine Offenheit und seine wissenschaftliche Integrität. Es waren vor allem diese Eigenschaften, die ihn am Ende seines Lebens zu einer weithin bekannten und bewunderten Person machten. Es war für Feynman unerträglich, zu sehen, wie das NASA-Management die Augen vor den vorhandenen und bekannten Risiken der Shuttleflüge verschloss und die Warnungen der eigenen Experten ignorierte. Also brachte er die Sache vor laufenden Kameras unmissverständlich auf den Punkt, und niemand konnte mehr darum herumreden.
Feynman erzählt, dass die Menschen ihn oft fragen, ob er nach den ultimativen Gesetzen der Physik suche − das, was wir oft als Weltformel bezeichnen. Das war nicht sein Ziel! Ihm genügte es, einfach mehr über die Welt herauszufinden, und er hatte keine Angst vor der Ungewissheit, die das zur Folge hat. In The Pleasure of Finding Things Out drückt er es so aus:
last modified on 15 October 2017