Kapitel 7
Gravitation

2  Quantengravitation

Zusammenfassung des Buchkapitels:

Die allgemeine Relativitätstheorie Einsteins ist eine klassische Theorie, in der Quanteneffekte noch nicht nicht berücksichtigt werden. Bei der starken, schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung ist es gelungen, Quanteneffekte mit einzubeziehen und relativistische Quantenfeldtheorien zu formulieren. Bei der Gravitation treten hier Probleme auf. So neigt die Gravitation dazu, schwarze Löcher zu produzieren, sobald zuviel Energie auf sehr kleinem Raum konzentriert wird, was durch Quantenfluktuationen aber immer geschehen kann. Die Raumzeit verliert ihre glatte Struktur und wird gleichsam schaumig. Die Bläschen haben dabei eine typische Größe von 10-20 Fermi (grob die Planck-Länge lp) und sind damit um zwanzig Zehnerpotenzen kleiner als ein Proton.

Letztlich ist es bisher nicht gelungen, eine konsistente renormierbare Quantentheorie dieser schaumigen Raumstruktur zu formulieren, auch wenn es einige Ansätze dazu gibt. Ein Beispiel dafür ist die M-Theorie, die wir im nächsten Kapitel noch etwas näher kennenlernen werden. Ein anderes Beispiel ist die Schleifen-Quantengravitation.

Die Plancklänge lp kann man aus der Gravitationskonstante G, dem Planck'schen Wirkungsquantum hq und der Lichtgeschwindigkeit c nach der Formel   lp = Ö{hqG/c3} = 1,6 ·10-20 fm berechnen. Dieser Wellenlänge entspricht eine Teilchenenergie (Planck-Masse oder Planck-Energie) von   Ep = Ö{c5hq/G}, die bei 1,2 ·1019 GeV liegt. Dies sind über 16 Zehnerpotenzen mehr als das schwerste Quark (das Top-Quark, Masse knapp 200 GeV) aufweist. Es erscheint aus heutiger Sicht völlig undenkbar, jemals einen Beschleuniger konstruieren zu können, der die für Quantengravitationsexperimente notwendige Energie auch nur annähernd liefern könnte.

Die Plancklänge lp wird nach der oben angegebenen Formel mit Hilfe der Gravitationskonstante G, dem Planck'schen Wirkungsquantum hq und der Lichtgeschwindigkeit c definiert. Diese Formel spiegelt unmittelbar wieder, dass in der Plancklänge die drei Teilgebiete Gravitation (repräsentiert durch G), Quantenphysik (repräsentiert durch hq) und spezielle Relativitä;tstheorie (repräsentiert durch c) zusammenkommen. Auch für alle anderen fundamentalen physikalischen Dimensionen lassen sich entsprechende natürliche Einheiten definieren:

Berechnungsformel exp. Wert
die Planck-Länge lp = Ö{hqG/c3} 1,6 ·10-20 fm
die Planck-Zeit tp = Ö{hqG/c5} 5 ·10-44 sec
die Planck-Energie Ep = Ö{c5hq/G} 1,2 ·1019 GeV

Diese Größen kann man auch physikalisch interpretieren:


Eine Quantengravitationstheorie berücksichtigt gleichzeitig die Ideen aus Mechanik, Gravitation, spezieller Relativitätstheorie und Quantenphysik. Entsprechende Theorien enthalten daher gleichzeitig alle drei Konstanten G, c und h und sind damit erstmals in der Lage, Vergleichsmaßstäbe für alle grundlegenden physikalischen Größen zu liefern.

Es gibt bis heute nur ein einziges physikalisches Phänomen, für das eine allgemein akzeptierte Formel existiert, die alle drei Konstanten G, c und h enthält: die Entropie bzw. die Temperatur schwarzer Löcher (siehe unten). Diese Formel sollte eine Quantengravitationstheorie reproduzieren können. Die Entropie schwarzer Löcher erklärt, warum es die zeitgespiegelte Version (weiße Löcher) nicht gibt. Mehr dazu im Buch und unten bei den Zusatzinformationen.



Zusatzinformationen:

a) zur Interpretation der Planck-Größen
b) Schwarzer Löcher und Elementarteilchen


a) zur Interpretation der Planck-Größen

Die Bedeutung der Planckmasse wird deutlich, wenn man Newtons Gravitationsgesetz sowie den Schwarzschildradius mit Hilfe der Planckmasse   mp = √(hqc / G)   ausdrückt. Hier eine kleine Rechnung dazu:

  F   =  
  =   G m1 m2 / r2   =  
  =   G / (hqc)   hqc   m1 m2 / r2   =  
  =   (m1 m2 / mp2)   hqc / r2

Analog können wir auch das Kraftgesetz zwischen statischen Ladungen umschreiben (wobei e die Elementarladung und   α = k e2 / (hqc) = 1/137   die elektrische Kopplungskonstante ist -- wir kennen das bereits aus Kapitel 5.2 -- Zusatzinfos):

  F   =  
  =   k q1 q2 / r2   =  
  =   k e2/ (hqc)   hqc / e2   q1 q2 / r2   =  
  =   α   (q1 q2 / e2)   hqc / r2

Bis auf den Zahlenfaktor α = 1/137 sehen beide Kraftgesetze vollkommen analog aus. Die elektrische Kraft zwischen zwei Elementarladungen ist also 1/137 der Gravitationskraft zwischen zwei Planckmassen. In diesem Sinn entsprechen also √137 = 11,7 Elementarladungen einer Planckmasse. Man kann hier sogar noch einen Schritt weiter gehen und den Effekt der gleitenden Ladung einbeziehen. Bei sehr kurzen Abständen wird die elektrische Ladung ja stärker (die starke Ladung dagegen schwächer), so dass man sich dort eine eine entsprechende Vereinheitlichung dieser Wechselwirkungen vorstellen kann.

Auch den Radius des Ereignishorizontes eines schwarzen Lochs (Schwarzschildradius rs) kann man durch die Planckmasse ausdrücken sowie durch die Plancklänge   lp = hqc / (mpc2) :

  rs   =  
  =   2 G m / c2   =  
  =   2 G / (hqc)   hqc   m / c2   =  
  =   2 / mp2   hqc   m / c2   =  
  =   2   hqc / (mpc2)   m/mp   =  
  =   2 lp m/mp

Wie man sieht, beträgt der Schwarzschildradius einer Planckmasse gerade 2 Plancklängen, wobei der Faktor 2 relativ unwichtig ist. Der Schwarzschildradius einer Planckmasse ist also von derselben Größenordnung wie deren Ortsunschärfe aufgrund der relativistischen Quantenfeldtheorie.

Die Formeln für die unterschiedlichen Planck-Größen kann man am besten ableiten und interpretieren, indem man mit der Planckmasse startet und dann die anderen Größen mit den gewohnten Formeln ableitet:

  Planckmasse   mp   =   √(hqc / G)
  Planckenergie   Ep   =   mpc2
  Plancklänge   lp   =   hqc / Ep
  Planckzeit   tp   =   lp / c

Die Planckenergie ist also einfach die relativistische Energie einer ruhenden Planckmasse, die Plancklänge ist die minimale Ortsunschärfe einer solchen Masse in der relativistischen Quantenfeldtheorie, und die Planckzeit ist die Zeit, die ein Lichtstrahl zur Überbrückung dieser Plancklänge benötigt. Außerdem kann man die Plancklänge auch als Reichweite einer hypothetischen Wechselwirkung interpretieren, die durch den Austausch von Teilchen einer Planckmasse entstünde (vgl. das Yukawa-Potential der starken Kernkraft oder die Reichweite der schwachen Wechselwirkung).


b) Schwarzer Löcher und Elementarteilchen

Im Buchkapitel wird an mehreren Stellen der Schwarzschildradius eines Elementarteilchens verwendet, also untersucht, wie groß ein schwarzes Loch wäre, das die Masse dieses Teilchens hätte. Zugleich wird aber auch gesagt, dass ein Elementarteilchen kein schwarzes Loch ist. Das kann man so verstehen:

Ein schwarzes Loch ist ein Objekt aus der allgemeinen Relativitätstheorie, d.h. Quanteneffekte sind dort nicht berücksichtigt. Quanteneffekte werden aber spätestens dann wichtig, wenn der Schwarzschildradius so klein wird, dass er in die Größenordnung der Ortsunschärfe der Quantenfeldtheorie kommt. Das ist der Fall, wenn die Masse des schwarzen Lochs so klein wird, dass sie in die Größenordnung der Planckmasse kommt. Für ein Elementarteilchen ist die Planckmasse riesig, für ein schwarzes Loch dagegen winzig. Sie hat einen Wert von

  mp   =   0,02176 mg   =   21,76 μg

Ein typisches Sandkorn mit 0,5 mm Durchmesser wiegt etwa 10 Planckmassen (siehe z.B. Wikipedia: Größenordnung (Masse)). Man kann also grob sagen: Ab etwa der Masse eines Sandkorns sind klassische schwarze Löcher denkbar, sofern man diese Masse auf einen sehr kleinen Raumbereich komprimiert. Für kleinere Massen werden Quanteneffekte zunehmend wichtig und man verlässt den Bereich der klassischen allgemeinen Relativitätstheorie. Zudem zerstrahlen derart kleine Löcher extrem schnell wieder. (Anmerkung: Sollte es zusätzliche verborgene Raumdimensionen geben, so könnte es auch schwarze Mikro-Löcher mit deutlich kleinerer Masse geben, die allerdings sofort wieder zerfallen. Nach diesen wird am Large Hadron Collider auch gesucht. Mehr dazu im nächsten Kapitel.)

Da Elementarteilchen Massen weit unterhalb der Planckmasse haben, können sie also keine klassischen schwarzen Löcher sein. Dennoch weisen Elementarteilchen und schwarze Löcher folgende interessante Gemeinsamkeit auf:

Bei Elementarteilchen könnte man zusätzlich noch angeben, ob sie beispielsweise von der starken Wechselwirkung beeinflusst werden. Dazu muss man aber entweder sehr nahe herangehen oder aber ihre Zerfälle betrachten. Betrachtet man sie jedoch aus hinreichender Entfernung und sieht sie als stabil an, so bleiben nur die drei oben genannten Größen übrig.

Man könnte vermuten, dass schwarze Löcher und Elementarteilchen vielleicht gar nicht so unterschiedlich sind, und dass eine gemeinsame Beschreibung möglich ist. Mehr dazu findet man beispielsweise in Brian Greene's Buch Das elegante Universum in Kapitel 13 (Schwarze Löcher: Aus der Sicht der String/M-Theorie -- Schwarze Löcher und Elementarteilchen). Die String- bzw. M-Theorie schauen wir uns im nächsten Kapitel genauer an.



Literatur:


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last modified on 27 August 2010