Zusammenfassung des Buchkapitels:
Wie kann die Beschreibung eines Teilchens durch eine Welle in die Beschreibung durch eine Teilchenbahn übergehen? Wann reicht umgekehrt die Teilchenbahn nicht mehr aus, so dass man eine Wellenbeschreibung braucht? Die Antwort gibt u.a. Heisenbergs Unschärferelation.
Heisenbergs Unschärferelation sagt, dass bei einer Messung das Produkt aus
Ortsunsicherheit
Die Unschärferelation macht uns klar, warum wir niemals eine genaue Teilchenbahn angeben können. Dafür benötigen wir nämlich gleichzeitig den präzisen Ort und die genaue Geschwindigkeit des Teilchens. Beides ist jedoch nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit bekannt, da es keine Wahrscheinlichkeitswelle gibt, die eine feste Wellenlänge besitzt und an einem einzigen Punkt startet. Ort und Impuls bzw. Teilchengeschwindigkeit sind komplementäre Messgrößen.
Da sich eine Frequenz in der Quantenmechanik in eine Teilchenenergie übersetzen lässt,
folgt aus den Überlagerungseigenschaften von Wellen analog die Energie-Zeit-Unschärferelation
(siehe auch Zusatzinfos unten)
In fact the smallest units of matter are not physical objects in the ordinary sense; they are forms, ideas which can be expressed unambiguously only in mathematical language.
(Werner Heisenberg zitiert in The New York Times Book Review (8 March 1992), siehe Wikiquote: Werner Heisenberg).
a) Orts-Impuls-Unschärfe und die Überlagerung von Wellen
b) Energie-Zeit-Unschärfe, Durchlaufzeit, Lebensdauer und Breit-Wigner-Resonanzkurve
Eine detaillierte (mathematische) Betrachtung der kanonischen Quantisierung der klassischen Mechanik inklusive Heisenbergscher Unschärferelation finden Sie in Quantenfeldtheorie und Eichfelder, Kapitel 3: Die Quantisierung der klassischen Mechanik (nur für Leser mit guten mathematischen und physikalischen Vorkenntnissen geeignet).
Warum muss man umso mehr ebene Wellen mit verschiedenen Wellenlängen überlagern, je kleiner das daraus entstehende Wellenpaket werden soll? Mathematisch folgt das aus der sogenannten Fouriertransformation. Der Effekt ist auch aus allen anderen Bereichen bekannt, die mit Wellen zu tun haben, beispielsweise aus der Nachrichtentechnik: Auch hier braucht man um die Trägerfrequenz herum ein Frequenzband, um der Trägerwelle ein weiteres längerwelliges Signal aufprägen zu können.
Ein einfaches Beispiel ist die Überlagerung zweier ebener Wellen mit fast gleicher Wellenlänge. Man spricht hier von einer Schwebung. Das Ergebnis sieht beispielsweise so aus:
Man sieht, wie periodische Wellenpakete entstehen. Dabei sind diese Wellenpakete umso kleiner,
je weiter die beiden überlagerten Wellenlängen auseinander liegen.
Durch Überlagerung sehr vieler eng benachbarter Wellenlängen (genauer: eines kontinuierlichen Wellenlängenspektrums) kann man dafür sorgen, dass nur ein Wellenpaket übrig bleibt. Je breiter das überlagerte Wellenlängenspektrum ist, umso kleiner wird das Wellenpaket.
In der Quantenmechanik entspricht nun ein breites Wellenlängenspektrum einem großen Impulsspektrum, also einem breiten Bereich möglicher Impuls-Messwerte. Ein kleineres Wellenpaket entspricht im Gegenzug einem besser lokalisierten Teilchen, also einem kleineren Bereich möglicher Orts-Messwerte. Je größer das Impulsspektrum ist, umso kleiner ist das Wellenpaket und umgekehrt. Das ist der Inhalt der Heisenbergschen Unschärferelation.
Man findet manchmal das Argument, dass man bei einem endlichen Wellenpaket die Wellenlänge nur mit einer gewissen Ungenauigkeit bestimmen kann, und dass dies die Ursache für die Unschärferelation ist. Wenn wir uns die Grafik oben mit den zwei überlagerten Wellenlängen ansehen, so hat man zunächst allerdings den Eindruck, dass man im Bereich konstruktiver Interferenz (also großer Amplituden) durchaus eine Wellenlänge ermitteln kann. Diese ist in dem obigen Beispiel gerade der Mittelwert der beiden überlagerten Wellenlängen.
Allerdings ändert sich das im Bereich destruktiver Interferenz (sehr kleine Amplituden), denn dort erfolgt im obigen Beispiel eine Versetzung der Wellenberge um eine halbe Wellenlänge, wenn man zum nächsten Bereich großer Amplituden übergeht. Im Randbereich eines Wellenpaketes ist also die Wellenlänge nicht mehr so eindeutig ablesbar.
Wenn man im obigen Beispiel die Anzahl Wellenberge
zwischen zwei destruktiven Bereichen zählt, so kommt es wegen der
Versetzung im Bereich destruktiver Interferenz genau darauf an, wohin man
die Grenze des Wellenpakets legt.
Man kann in diesem Sinn auch sagen, dass die Anzahl Wellenberge (nennen wir sie
Nun ist die Wellenanzahl
In der Quantenmechanik ist nun
Neben der Unschärfe zwischen Ort und Impuls hatten wir auch die Unschärfe zwischen Energie und Zeit angesprochen. Da bei einer ebenen Welle das Produkt von Energie (Frequenz) und Zeit analog zum Produkt von Impuls (Wellenzahl) und Ort eingeht, ergeben die Überlagerungseigenschaften von Wellen auch eine analoge Unschärferelation.
Betrachtet man die Quantenmechanik etwas genauer, so entdeckt man allerdings Unterschiede zwischen den beiden Unschärferelationen. Ort und Impuls sind in der nichtrelativistischen Quantenmechanik beides Messgrößen (Observable), die sich bei einem Teilchen messen lassen, so dass die Unschärferelation sich auf die Streubreite der Messwerte bezieht.
Anders als der Ort ist aber die Zeit keine solchen Teilchen-Messgröße.
Daher lässt sich in der Quantenmechanik die Energie-Zeit-Unschärferelation auch nicht
analog zur Impuls-Orts-Unschärferelation streng formal ableiten.
Was also ist mit der Zeitunschärfe
Es ist bemerkenswert, dass dazu im Lauf der Zeit immer wieder verschiedene Antworten gegeben und teilweise intensive Debatten geführt wurden. Daran merkt man, dass die Energie-Zeit-Unschärferelation keine so saubere formale Basis besitzt wie die Impuls-Orts-Unschärferelation.
Eine gängige Sichtweise ist diese:
Es gibt Beispiele, die diese Sichtweise unterstützen (z.B. die Ablenkung eines neutralen Teilchens mit Spin in einem Magnetfeld – das sogenannte Stern-Gerlach-Experiment), aber es gibt auch Gegenbeispiele (Bohm, Aharanov), so dass diese Sichtweise nicht konsistent überall durchgehalten werden kann.
Manchmal versucht man auch, die Energie-Zeit-Unschärfe auf die Energie-Impuls-Unschärfe zurückzuführen. Wir wollen hier gar nicht erst näher darauf eingehen, da diese Ableitung erhebliche Mängel aufweist.
Eine fruchtbare Sichtweise ergibt sich aus unserem obigen Bild eines Wellenpakets: Wir können die x-Achse entweder als Raumachse oder als Zeitachse interpretieren:
Die Zeitunschärfe
Wie kann es nun zu einem zeitlich begrenzten Wellenpaket an einem Ort kommen? Dazu gibt es zwei Möglichkeiten:
Betrachten wir die beiden Fälle genauer:
Durchlaufzeit bzw. Veränderungszeit:
Man kann ganz allgemein für irgendeine Messgröße
|
Dabei ist
Konkret können wir als Messgröße
mittlere Lebensdauer:
Dieser Fall ist in der Quantentheorie besonders wichtig, und er kann auch beispielsweise im Rahmen der quantenmechanischen Streutheorie mathematisch sauber behandelt werden. Dabei hat man es mit einem Prozess zu tun, bei dem ein bestimmter (instabiler) Quanten-Zwischenzustand vorübergehend aktiviert wird, um dann wieder zu verschwinden. So könnte aus anderen Quantenzuständen Energie auf den betrachteten Zwischenzustand übertragen werden, worauf dieser seine Energie dann wieder an andere Quantenzustände abgibt.
Beispielsweise können Photonen ihre Energie an ein Atom übertragen und dort einen höheren Energiezustand anregen, der seine Energie dann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wieder in Form von Photonen abstrahlt, oder es kann aus einem hochenergetischen Elektron-Positron-Paar ein Z-Boson gebildet werden, das anschließend wieder zerfällt.
In diesem Sinn entspricht die zeitliche Dauer
Der Energieerhaltungssatz wird durch die Energie-Zeit-Unschärfe dabei nicht verletzt, auch nicht für kurze Zeiten. Es wird auch keine Energie kurzzeitig geborgt.
Stattdessen ist es einfach nur so, dass ein kurzlebiger Quantenzustand immer aus einer Überlagerung mehrerer Energiewerte besteht, die alle als ununterscheidbare Möglichkeiten zum betrachteten Prozess beitragen können, je nach Randbedingung. Ein Atom kann von einem Grundzustand aus durch ein Photon in einen angeregten Energiezustand überführt werden und diesen durch Aussenden eines Photons gleicher Energie wieder verlassen. Aufgrund der Kurzlebigkeit des angeregten Energiezustandes ist dieser Prozess dabei für einen ganzen Photon-Energiebereich möglich, der der natürlichen Linienbreite der zugehörigen Spektrallinie entspricht. Analog ist es bei Erzeugung und Zerfall des Z-Bosons.
Das zentrale Argument für den Zusammenhang zwischen mittlerer Lebensdauer und Resonanzbreite sieht dabei folgendermaßen aus (dieses Argument ist letztlich auch der zentrale Kern anderer aufwendigerer Herleitungen im Rahmen der Streutheorie):
Wir bezeichnen mit
Dabei wollen wir uns vorstellen, dass der Zustand zur Zeit
Der Zustand soll eine mittlere Energie
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Dabei gilt wie gefordert
Da bei der Schwingung die Amplitude ständig abnimmt, ist
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bezeichnet man dabei als natürliche Linienbreite (bei Spektrallinien) oder als
Resonanzbreite (bei Teilchenstreuung), d.h. die Wahrscheinlichkeit für
Breit-Wigner-Kurve (Lorentz-Kurve):
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Anschaulich ist
Den Zusammenhang zur Energie-Zeit-Unschärfe erhalten wir dabei zurück, indem wir
Literatur:
© Jörg Resag, www.joerg-resag.de
last modified on 27 December 2023